Die Wiege stand in Güglingen

Der folgende Artikel wurde von Lothar Strobel geschrieben. Er arbeitete lange Zeit bei der Lokalzeitung „Heilbronner Stimme“ und befasste sich intensiv mit der Entwicklung des Deutschen Tennissports nach dem Zweiten Weltkrieg.

„... Inzwischen (gemeint sind die Jahre nach 1967) hatte sich der Schwerpunkt des Unterländer Spitzentennis von Heilbronn nach Güglingen verlagert. Dort draußen im Zabergäu begann ein tennisbegeisterter Fabrikant, Georg Fritz, nach Inbetriebnahme einer Dreiplatz-Halle und Fertigstellung einer schmucken Freiplatz-Anlage im nahen Kleingartach mit dem gezielten Aufbau einer Tennismannschaft, die Ende der Sechziger Jahre die absolute Vorherrschaft in Württemberg übernahm. Der Höhepunkt war 1970 erreicht, als der TC AFRISO Güglingen sowohl mit den Herren als auch mit den Damen Württembergischer Tennis-Mannschaftsmeister wurde und auch in der Südmeisterschaft eine starke Rolle spielte.

Nie werde ich vergessen, wie sich 1968 Württembergs Tenniswelt von der Zeitungsmeldung elektrisieren ließ, Ken Fletcher, damals 28 Jahre alt und einer der zehn besten Tenniscracks der Welt, werde für AFRISO Güglingen spielen. Es war einfach sensationell.

Heute würde man sich über eine solche Meldung freuen. Damals ersannen findige Funktionäre flugs eine „Lex Güglingen“ (wie Georg Fritz das seinerzeit erbittert nannte): Ein Spieler von der Hochkarätigkeit Ken Fletchers war im „Ländle“ einfach nicht genehm, man schloss ihn, da zu stark, schlicht und schmerzlos aus dem Mannschafts-Spielbetrieb aus. Und so konnte Fletcher, der damals zwischen Hongkong, London und Güglingen über den Globus pendelte, da wie dort das Racket schwang und nebenbei mit Diamanten handelte, nur in der Süddeutschen Hallenvereinspokalrunde eingesetzt werden, die unter dem Protektorat des großzügiger denkenden Deutschen Tennisbundes stand. Dieser Hallenvereinspokal, der 1968/69 erstmals und damals noch inoffiziell ausgespielt wurde, Deutschlands Tennis-Spitzen-Spitzenklubs auch in die Güglinger Drei-Plätze-Halle brachte und schließlich zweimal auch von AFRISO Güglingen gewonnen wurde, ist in Wahrheit der direkte und versuchsweise Vorgänger der 1972 gegründeten deutschen Tennis-Bundesliga.

Der Güglinger Fabrikant Georg Fritz war es, der damals schon immer und immer wieder auf die Notwendigkeit der Einführung einer Tennis-Bundesliga drängte und in diesem Zusammenhang schon 1969 in Güglingen vorbereitende Gespräche mit dem damaligen Präsidenten des Deutschen Tennisbundes, Fritz Kütemeyer und DTB-Sportwart Ferdinand Henkel, führte.

 

„Nach der Zahl seiner Mitglieder könnte der Deutsche Tennisbund ohne weiteres mit an der Weltspitze stehen“, sagte Georg Fritz schon damals. Und er sollte mit seiner Prophetie dann schließlich, wenn auch sehr viel später erst, völlig recht behalten. Nur: Wenig gilt der Prophet im eigenen Vaterlande.

Dem Tennis-Pionier aus dem Zabergäu, vielen ein wohl zu harter Drängler und zu fortschrittlicher Aktivist, ist nur wenig Dank zuteil geworden. Vielmehr hatte er gegen wachsende Widerstände anzugehen und resignierte schließlich. 1971 richtete er in Güglingen noch einen „Champion Cup“ mit Wilhelm Bungert, Hans-Jürgen Pohmann, Dr. Christian Kuhnke und Attila Korpas aus; 1976 löste er seine Sportmannschaften auf. Was blieb, ist die Erinnerung an große Tenniskämpfe. Das ganze Unterland hat davon profitiert. Und so ist Tennis im Unterland schnell und tatsächlich Volkssport geworden.“